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25. Juni 2013

Wirtschaftliche Metallsubstitution mit neuen teilaromatischen Polyamiden

Wasserzähler, Kugelventile und Möbel Wirtschaftliche Metallsubstitution mit neuen teilaromatischen Polyamiden (Foto: BASF)

Wasserzähler, Kugelventile und Möbel

25.06.2013 / BASF. Geht es um Metallersatz durch intelligente Kunststofflösungen ist das mögliche Anwendungsspektrum auch außerhalb des Fahrzeugbaus fast unüberschaubar: In Tür- und Fenstergriffen finden sich oft Innenteile aus Zinkdruckguss, die sich substituieren lassen. Bei Sportgeräten, im Haushalt, bei Möbeln oder auch bei thermischen Trennelementen sowie Montagesystemen von Solarmodulen ist noch schweres und teures Metall im Einsatz. Doch zwischen Standardpolyamid, das die Anforderungen nicht immer erfüllt, und den kostspieligen Hochleistungswerkstoffen gibt es kaum Alternativen. Um diese Lücke zu schließen hat die BASF nun ihr Ultramid®-Portfolio erweitert und stellt zur K 2013 zwei neue Materialien vor. Die beiden Werkstoffe Ultramid D3EG10 FC Aqua ® und Ultramid D3EG12 HMG eignen sich für die Metallsubstitution in vielen verschiedenen, aber dennoch sehr speziellen Anwendungsfeldern.

Spagat zwischen Kosten und Leistung

Neben den beiden klassischen Vorzügen der Kunststoffe – Leichtbaupotenzial und Funktionsintegration – spielt die thermische und elektrische Isolationsfähigkeit der Werkstoffe eine wichtige Rolle. Wenn Standardkunststoffe an ihre technischen Grenzen stoßen, denkt der Anwender zunächst an Hochleistungskunststoffe. Dann scheitert eine Umsetzung allerdings oft an den wirtschaftlichen Notwendigkeiten, da Hochleistungskunststoffe, besonders wenn sie Füllstoffe wie Kohlefasern enthalten, häufig zu kostspielig sind. Die beiden neuen Werkstoffe sollen hier Abhilfe schaffen.

Die Polyamidspezialität Ultramid D3EG10 FC Aqua ist aufgrund ihrer guten Chemikalien- und Hydrolysebeständigkeit für Bauteile mit Trinkwasserkontakt geeignet: Das Material verfügt über die gängigen Trinkwasser-Zulassungen. Ultramid D3EG12 HMG  hingegen ist ein Polyamid, das sich durch seinen hohen E-Modul von über 20.000 MPa auszeichnet. Es kommt deshalb auch für den Ersatz von Metalldruckgussteilen im Sichtbereich in Betracht, denn das Material hat trotz seines außerordentlich hohen Glasfasergehalts von 60 Prozent eine ungewöhnlich gute Oberfläche.

Beide teilaromatischen Polyamide wurden gezielt als leistungsfähige Ergänzung des Standardsortiments entwickelt. Sie sind beide sehr steif, haben ein gutes Kriechverhalten und sind im Vergleich zu Standard-Polyamid relativ unempfindlich gegenüber Feuchtigkeit. Daher lassen sie sich für die wirtschaftliche Substitution von Metallbauteilen in nahezu allen Anwendungsbereichen einsetzen.

Fürs Trinkwasser – Wasserzähler und mehr

Mit Ultramid D3EG10 FC Aqua erweitert die BASF zugleich ihr für den Kontakt mit Trinkwasser entwickeltes Portfolio technischer Kunststoffe der Marke Aqua. Zu den speziellen Anforderungen für Bauteile mit Trinkwasserkontakt gehören besonders niedrige Migrationswerte, eine hohe Geschmacksneutralität sowie der Nachweis, dass es im dauerhaften Kontakt mit dem Kunststoff zu keinem beschleunigten Algenwachstum kommt. Zudem erfüllen die Kunststoffe des Aqua-Sortiments auch die Zulassungsvoraussetzungen für den Kontakt mit Lebensmitteln (FC = Food Contact).

Ein interessantes Anwendungsbeispiel für die Aqua-Type sind Gehäuse von Wasserzählern. Übliche Messinggehäuse enthalten einen hohen Anteil teuren Kupfers und zur besseren Bearbeitung bis zu drei Prozent Blei. Da ab Dezember 2013 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union der Bleigrenzwert im Trinkwasser von derzeit 0,025 mg/l auf nur 0,01 mg/l gesenkt werden wird, kommt bleifreien Materialien eine ganz besondere Bedeutung zu. Nicht zuletzt wegen seiner Festigkeit und Zähigkeit eignet sich Ultramid D3EG10 FC Aqua für solche Anwendungen. Darüber hinaus weist dieses Polyamid eine reduzierte Wasseraufnahme sowie hohe Steifigkeit auf und es hält dynamischen Lastfällen stand, wie sie etwa beim plötzlichen Schließen von Einhebelmischern auftreten.

Flexibler als Metall-Druckguss

Werkstoffe zur Metallsubstitution werden zuerst an ihren mechanischen Eigenschaften gemessen. Sie konkurrieren mit Zink- oder Aluminiumdruckguss. Bei Ultramid D3EG12 HMG haben die außerordentlich guten mechanischen Eigenschaften zur Namenserweiterung HMG geführt. HMG steht für „High Modulus Grade“ und hebt den sehr hohen E-Modul hervor. Bemerkenswert für ein Polyamid ist auf der einen Seite, dass der Werkstoff beim E-Modul im konditionierten ebenso wie im trockenen Zustand konstant hohe Werte aufweist. Aber auch die Zugfestigkeit nimmt aufgrund der reduzierten Feuchtigkeitsaufnahme vom trockenen zum konditionierten Zustand nur geringfügig ab. Neben den mechanischen sind aber auch weitere Eigenschaften, beispielsweise die Verarbeitbarkeit, das thermische Verhalten oder die Chemikalienbeständigkeit zu beachten. So zeichnet sich das Material unter anderem durch ein breites Verarbeitungsfenster aus, das sich in moderaten Werkzeug- und Massetemperaturen widerspiegelt.

Sichtteile aus hochgefülltem Polyamid

Das neue Ultramid D3EG12 HMG stellt somit eine konsequente Erweiterung des Ultramid-Portfolios dar. Trotz seiner hohen Glasfaserverstärkung lässt sich der Werkstoff für die Herstellung von Endprodukten mit hochwertigen Oberflächen wie zum Beispiel Bürostühlen verwenden. Alleine diese Eigenschaftskombination eröffnet interessante Anwendungsperspektiven, sowohl im Sicht- als auch im Dichtungsbereich. So werden heute bereits Kugelabsperrventile aus dem HMG-Material gefertigt.

Die hohe Oberflächenqualität bietet gerade hier einen weiteren Vorteil: Die Dichtflächen an den Bauteilen aus Ultramid D3EG12 HMG sind so glatt, dass keine Nachbearbeitung erforderlich ist. Das ist eine weitere Stärke der Kunststoffversion, die sich deshalb oft als die gegenüber Metall wirtschaftlichere Alternative erweist. Bei der Materialentwicklung beurteilt die BASF die Oberflächen an Hand realitätsnaher Musterbauteile. 

Wirtschaftlich durch kunststoffgerechte Konstruktion und Bauteilprüfung

In der Regel lassen sich Metallkonstruktionen nicht direkt auf Kunststoff übertragen. Ein Kunststoffbauteil sollte grundsätzlich losgelöst von der Vorgängervariante konzipiert werden. Gerade wenn es um den Wechsel von einer Metall- zu einer Kunststofflösung geht, ist es daher oft zweckmäßig und wirtschaftlich sinnvoll, bereits so früh wie möglich, und das heißt bei der ersten Bauteilauslegung, mit geeigneten Simulationsprogrammen zu arbeiten sowie vorhandenes Kunststoff-Knowhow zu nutzen. Die BASF-Experten stehen ihren Kunden mit ihren Material- und Verfahrenskenntnissen zur Seite, um das technische wie ökonomische Potenzial eines Kunststoffs für eine spezifische Anwendung voll auszuschöpfen. Umgekehrt kann es allerdings auch vorkommen, dass – etwa bei einfachen Geometrien – eine Metalllösung die wirtschaftlichere Variante ist.

Abhängig vom Einzelfall besteht bei der BASF die Möglichkeit, Bauteile zu testen. So lässt sich im eigenen Strömungslabor die Langzeitbeständigkeit von Wasserzählern, Rohrfittingen oder anderen mit Trinkwasser in Kontakt stehenden Teilen gegenüber chloriertem Wasser bei verschiedenen Temperaturen, Drücken, pH-Werten und Durchflussgeschwindigkeiten auch über viele tausend Stunden hinweg überprüfen. Auch Berstdruckprüfungen oder andere kundenspezifische Untersuchungen sind möglich.

Die neuen Werkstoffe bieten somit zusammen mit der Kenntnis über das Produktverhalten in anwendungsnahen Situationen und den neuesten Berechnungsinstrumenten einen weiteren Zugang zur erfolgreichen Bauteilentwicklung.

Weitere Informationen:

BASF SE


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