Lanxess, D-Leverkusen hat eine Reserveradmulde mit integrierten Verstärkungskanälen für den neuen Audi A8 entwickelt, die in einem einstufigen Fertigungsprozess mit integriertem Gasinjektions-Schritt aus dem mit 60 % Glasfasern gefüllten Durethan DP BKV 60 H2.0 EF spritzgegossen wird (Abb. 1). Das Polyamid 6 mit seiner sehr hohe Steifigkeit und Festigkeit trägt zur Gesamtsteifigkeit der Mulde/Hinterwagens bei. Das Material besitzt ein Zugmodul bei Raumtemperatur von etwa 19.000 MPa (konditioniert 13.000 MPa) und ist damit doppelt so hoch wie das eines mit 30 % Glasfasern gefüllten Standard-Polyamid 6. Durethan DP BKV 60 H2.0 EF eröffnet neue Einsatzchancen als Alternative zu Stahlblech, Aluminium und glasmattenverstärkten Thermoplasten (GMT).
Hohe Bauteilsteifigkeit
Die Reserveradmulde ist mit Maßen von 100 x 85 x 32 cm für ein Spritzgussteil ungewöhnlich groß. Das reine Kunststoffgewicht beträgt ca. neun Kilogramm. Das Bauteil wird mit der Rohkarosse verklebt und verschraubt und hat über seine eigentliche Funktion hinaus die Aufgabe, den Hinterwagen zu versteifen. Hierzu tragen neben dem Material zwei je rund zwei Meter lange, in Gasinjektionstechnik (GIT) umgesetzte Verstärkungskanäle bei. Selbst bei hohen Temperaturen bleibt die Materialsteifigkeit – wie von Audi etwa für Bauteilbereiche nahe der Abgasanlage gefordert – erhalten. Die hohe Steifigkeit und Festigkeit werden auch benötigt, weil an die Reserveradmulde zahlreiche, insgesamt rund 70 kg schwere Anbau- und Ausstattungsteile (Package) befestigt sind – so zum Beispiel das Ersatzrad, der Luftfeder-Kompressor, verschiedene Steuergeräte, Wagenheber, Werkzeug und die Batterie. Letztere ist auf einem Aluminium-Blech fixiert, das in das Bauteil integriert ist. Dadurch wird verhindert, dass sie sich bei einem Crash mit Heckaufprall löst. Hersteller der Reserveradmulde ist die voestalpine Plastics Solutions mit Sitz im holländischen Putte.
Vorzüge gegenüber anderen Materialien
In Metallblech ist die Reserveradmulde wegen des engen Bauraums und der großen Tiefziehverhältnisse kaum darzustellen. Außerdem sind durch die Kunststoffkonstruktion zahlreiche Funktionen direkt integrierbar. Diese Funktionen hätten bei einer Ausführung in Metall viele separate Fertigungs- und Fügeschritte mit entsprechenden Kosten bedeutet. Gegen eine GMT-Konstruktion sprach unter anderem der enorme Nacharbeitsaufwand, den die filigrane Struktur des Bauteils mit sich gebracht hätte.
Hohes Schussgewicht, aber auch hoher Rezyklatanteil
Eine besondere Herausforderung waren die Größe und 3D-Komplexität des Formteils, das hohe Schussgewicht von rund 12 kg, das präzise Hinterspritzen des Aluminium-Bleches für die Batterie und die Integration des GIT-Verfahrens für die Verstärkungskanäle. Um eine präzise Dosierung zu erreichen, kommt eine 2.700-t-Spritzgießmaschine mit einer Schnecke zum Einsatz, die einen relativ großen Durchmesser von 150 mm hat. Zunächst wird das Polyamid 6 in das Werkzeug eingespritzt. Dazu sind wegen der exzellenten Fließfähigkeit des hochgefüllten Werkstoffs – er ist ähnlich fließfähig wie ein Standard-Polyamid 6 mit 30 % Glasfasern – nur zwei Anschnitte notwendig. Anschließend werden im GIT-Verfahren die Verstärkungskanäle ausgeblasen, wobei überschüssige Schmelze in Überlaufkavitäten gedrückt wird. Die ausgeblasene Schmelze wird als Rezyklat mit einem Anteil von 30 % wieder in den Prozess zurückgeführt. Ein wichtiger Vorzug des PA 6 ist es auch, dass der Werkzeugverschleiß vergleichbar mit einem Standard-PA 6 mit 30 % Glasfasern ist.