Kunststoff / Produktentwicklung / Produktion

25. Juni 2013

Ultracom™: BASF steigt bei Composite-Halbzeugen für den Fahrzeugbau ein

Erste Verbundbauteile plus Anwendungsservice BASF steigt bei Composite-Halbzeugen für den Fahrzeugbau ein (Foto: BASF)

Erste Verbundbauteile plus Anwendungsservice

25.06.2013 / BASF. Der Trend zum automobilen Leichtbau ist nicht nur ungebrochen: Er gewinnt umso mehr an Bedeutung, je näher das Jahr 2020 rückt – zu diesem Zeitpunkt verschärfen sich die Reglements für die CO2-Emissionen der Flotten europäischer Fahrzeughersteller drastisch. Thermoplastische Werkstoffe, kurz- ebenso wie langfaserverstärkt, haben einen sehr großen Anteil am modernen Leichtbau, weil mit ihrer Hilfe zahllose, ehemals metallische Bauteile im Großserienmaßstab durch ebenso leistungsfähige Kunststoff­bauteile ersetzt werden konnten. Inzwischen sind mit diesen Werkstoffen erste grundsätzliche Grenzen erreicht. Der nächste große Schritt bei der Metallsubstitution im Fahrzeugbau wird nur mit einem Technologiesprung gelingen: Mit Endlosfaserverstärkung von spritzgegossenen Strukturen, also mit thermoplastischen Verbundwerkstoffen (Composites). Wenn sich thermoplastische und duroplastische Composites in Strukturbauteilen durchsetzen, werden sie langfristig ein Marktvolumen von etwa 2 Milliarden Euro umfassen.

Neues Sortiment aus Laminat- und Tape-Halbzeugen

Aus diesem Grund erweitert die BASF nun ihre Aktivitäten bei den technischen Kunststoffen um einen vollkommen neuartigen Ansatz: Er heißt Ultracom und umfasst ein Paket aus drei Komponenten: endlosfaserverstärkte Halbzeuge, angepasste Spritzgießmassen und die notwendige Unterstützung beim Engineering. Die zentrale Neuheit sind dabei die Halbzeuge, also Laminate aus Fasergeweben bzw. ‑gelegen und unidirektionale Tapes, die mit Ultramid® oder Ultradur®, den Polyamid- oder PBT-Werkstoffen der BASF, imprägniert sind. Diese thermoplastischen Verbundwerkstoffe werden derzeit zusammen mit dem global aktiven Faserverbundhersteller TenCate und dem führenden Glasfaseranbieter Owens Corning im Rahmen einer Forschungs-Kooperation weiter entwickelt.

Der zweite Teil des Ultracom-Pakets umfasst die individuell auf diese Laminate abgestimmten Umspritz-Materialien, ebenfalls aus dem Ultramid- und Ultradur-Sortiment, diesmal in Form von Compounds. Mit ihrer Hilfe lassen sich im Spritzguss zusammen mit den Laminaten und Tapes komplexe Bauteile fertigen, die an genau definierten Stellen über eine sehr hohe mechanische Verstärkung durch Endlosfasern verfügen, und durch das Umspritzen gleichzeitig spezifisch funktionalisiert werden können.

Die ersten kommerziellen Ultracom-Pakete

Zur K 2013 wird die BASF die ersten kommerziellen Ultracom-Produktpakete anbieten: Für Kundenprojekte im Bereich hochsteifer Bauteile  besteht das Paket aus einem auf Polyamid 6 basierenden Ultralaminate™ (oder Ultratape™ für hoch ausgerichtete Verstärkungsstrukturen) sowie einem Ultramid G12 COM mit 60% Glasfaserverstärkung als Umspritz­masse. Bei besonderen Anforderungen an die Schlagzähigkeit des Bauteils wird die BASF zusammen mit dem Kunden ein auf hohe Energieabsorption optimiertes Paket einsetzen. Es besteht ganz analog aus Ultralaminate und einem Ultramid ZG7 COM. Auch hier existiert eine entsprechende Tape-Variante für lokale Verstärkungen, beispielsweise in Sitzstrukturen, die mit demselben Ultramid COM ZG7 umspritzt werden kann. Zunächst wird für die Laminate die bei den technischen Textilien bekannte orthotrope Köper-2/2-Struktur sowie Polyamid 6 zum Einsatz kommen. Auf der Kunststoffmesse werden die ersten mittels Ultracom umgesetzten seriennahen Bauteile zu sehen sein.

Mit im Angebot: Simulation, Prozess-Betreuung und Prüflabor

Die dritte Komponente von UltraCom ist von großer Bedeutung für den Entwickler von Bauteilen aus Verbundwerkstoffen: Sie umfasst ein umfangreiches Service-Angebot der BASF-Anwendungsentwicklung. Dazu gehört nicht nur die Unterstützung bei der Auslegung am Computer mithilfe des universellen Simulationsinstruments Ultrasim® der BASF, sondern ebenso die Betreuung bei der Werkstoffverarbeitung und Bauteilherstellung. Zu diesem Zweck hat die BASF ihren Maschinenpark um eine serienfertigungsnahe Spritzgieß-Pilotanlage mit automatisierter Laminat-Zuführung erweitert. Und schließlich stehen die zahlreichen Möglichkeiten des Bauteil-Prüflabors der BASF zur Verfügung.

Unterstützung beim Engineering - Säule drei ist essentiell

Diese dritte Säule des UltraCom-Pakets, das Engineering ist nicht, wie in bisherigen Leichtbauprojekten, nur eine Option, die sich bei Bedarf nutzen lässt: Sie ist essentieller Bestandteil für alle Kundenprojekte. Ohne die Möglichkeit, die Verbundwerkstoffe und die daraus gefertigten Bauteile vor ihrer Herstellung zu optimieren und sie ebenso gut wie klassische kurz- und langfaserverstärkte Thermoplaste numerisch per integrativer Simulation zu beschreiben sowie am Computer auslegen zu können, wird der Markteintritt auf breiter Basis nur schwer gelingen. Das Berechnungswerkzeug Ultrasim® der BASF hat in den vergangenen Jahren die Bauteilauslegung und damit die Entwicklung vieler neuartiger Bauteile – Getriebequerträger, Motorlager, Motorträger, metallfreie Frontends – erst möglich gemacht. Nur mit der Erweiterung der integrativen Simulation durch neue Materialmodelle und den zugrunde liegenden experimentellen Erkenntnissen wird das thermoplastische Verbundbauteil auf Basis Laminat oder Tape für die Großserie zugänglich sein. Erste Ultramid®-Serienanwendung war 2012 die Sitzschale des Opel Astra OPC auf Basis von – damals noch extern produzierten - umspritzten thermoplastischen Laminaten. Hier konnten die erweiterten Leistungen von Ultrasim bereits genutzt werden. Sie stehen allen Kunden im Rahmen von gemeinsamen Entwicklungsprojekten zur Verfügung.

Passt wie angespritzt

Voraussetzung und Herausforderung auf der Materialseite ist dabei, dass Faser und Kunststoff einerseits und Tape bzw. Laminat und Umspritzmasse andererseits als abgestimmtes System im Bauteil eine optimale Kombination darstellen und daher wie Schlüssel und Schloss zueinander passen: Fasern müssen mit ihrer Schlichte, also Oberflächenbeschaffenheit, an die jeweiligen Kunststoffe, die sie tränken, angepasst werden – und umgekehrt. Umspritzmaterialien wiederum müssen die klassischen Anforderungen des Spritzgusses erfüllen und dabei gleichzeitig im schnellen Prozess die optimale Anbindung der Rippen an die Laminate ermöglichen.

Gemeinsame Lernkurve – das Beste aus zwei Welten

Die größte technologische Hürde ist zurzeit die Entwicklung und Umsetzung von hoch-automatisierten und robusten Prozesstechnologien mit allen Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette und daraus resultierend eine Absenkung der Prozesskosten. Noch sind weder Spritzgießmaschinen noch Werkzeuge, weder Fixierautomaten noch Heizstationen als durchgängige Systeme von der Stange zu haben oder aufeinander abgestimmt. Wenn sie zur Verfügung stehen, lässt sich mit endlosfaserverstärkten thermoplastischen Verbundbauteilen in naher Zukunft die bestmögliche Kombination aus Gewichtsverminderung, Kosteneffizienz und Leistungsfähigkeit für Bauteile in der Karosserie und im Chassis erreichen. Denn mit den Faserlaminaten oder –tapes lassen sich spritzgegossene Bauteile darstellen, die lokal entlang der auftretenden Lastpfade, verstärkt und gleichzeitig im klassischen Spritzguss in bekannter Weise funktionalisiert und modularisiert sind. Hier finden das hocheffiziente Spritzgießen und die individuell am Bauteil benötigte Verstärkung durch Endlosfaserstrukturen eine optimale Verbindung.

Laminat oder Tape?

Dabei erfüllen die beiden verschiedenen Halbzeug-Gattungen unterschiedliche Funktionen: Während thermoplastische Laminate mit Thermoplasten imprägnierte Gewebe sind, müssen für Strukturen aus unidirektionalen (UD) Tapes zunächst Schichtaufbauten aus den vollimprägnierten, Faserbändern erzeugt werden. Dabei eignen sich thermoplastische Laminate besser für großflächige, quasiisotrope Hybridbauteile, Tape-Gelege eher bei lokaler Verstärkung von spritzgegossenen kurzglasfaserverstärkten Bauteilen mit anisotropen Eigenschaften.

Konsolidierung und hohe Investition – die Zeit drängt.

Die nächsten drei Jahre wollen sich die BASF-Experten Zeit nehmen, um zusammen mit den Kunden in der Automobilbranche fertige Großserienkonzepte für endlosfaserverstärkte thermoplastische Verbundbauteile in Karosserie und Chassis zu entwickeln. Alle Industriepartner müssen hier gemeinsam Knowhow aufbauen, um die Materialien, die Verarbeitungstechnologie und den Markt zusammen zu führen. Die BASF wird zu diesem Zweck rund um ihre Composite-Aktivitäten in den nächsten drei Jahren einen hohen zweistelligen Millionen-Euro-Betrag in Forschung und Entwicklung investieren. Viele Kundenprojekte laufen schon. Die BASF steht ab sofort bereit, ihre Expertise in der Formulierung und Verarbeitung von technischen Thermoplasten und thermoplastisch imprägnierten Fasergeweben in weitere Kundenprojekte einzubringen.

Weitere Informationen:

BASF SE


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